Wie ich zum Aktzeichnen kam

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Wie ich zum Aktzeichnen kam

Erstellt am 02.04.2020

Wenn sich die Gelegenheit in der Freizeit bietet, zeichne ich hin und wieder ein wenig. Für mich ein schöner Weg den Kopf von all den Gedanken des Berufsalltags frei zu bekommen. Tagsüber übe ich eine eher eine weniger kreative Tätigkeit aus. Beim Zeichnen kann ich mich wunderbar in das Motiv und die Zeichnung vertiefen und schalte damit einfach ab.

Meine Zeichnungen sind sicher keine Meisterwerke, im Gegenteil sind bei ehrlicher Betrachtung eigentlich mehr ein Gekritzel, als eine gute und stimmige Zeichnung. Aber das verbessert sich meiner Meinung nach ganz langsam mit jeder Zeichnung die ich mache. Von ganz alleine kam ich aber nicht auf den Gedanken zu zeichnen, und vor allem wäre vor allem das Aktzeichnen bestimmt nicht meine erste Idee gewesen. Aber wie der Zufall es so wollte, führte er mich zum Aktzeichnen als ich mich in der Kunstakademie als Modell vorstellen wollte.

Ich hatte mit der Verwaltung abgestimmt, dass ich mich einmal kurz mit der Dozentin unterhalten wollte und sollte hierfür direkt in die Übung für figürliches Zeichnen kommen. Und so stand ich an einem Dienstag im Zeichensaal, wo schon einige Studentinnen und Studenten emsig mit dem Aufbauen ihrer Staffeleien beschäftigt waren.

Beim Begrüßen der Dozentin merkte ich kurz an, dass abgestimmt ist, dass ich mich heute bei Ihr melden soll. Mein Anliegen an sich hatte ich noch gar nicht genannt, jedenfalls lautete die für mich völlig überraschenden Antwort:

“Ah, man hat mir schon von Ihnen erzählt. Schön dass sie da sind, sie brauchen nicht nervös zu sein es geht gleich los.”

Ich war völlig perplex. Jetzt Modellstehen! Innerlich war ich noch überhaupt nicht so weit und wollte eigentlich erst einmal reden und Informationen bekommen. Vermutlich habe ich ein ziemlich verdutztes Gesicht gemacht. Mein Puls ist jedenfalls von jetzt auf gleich auf über 120 gestiegen.

Im Kopf rasten die Gedanken in alle Richtungen. Ein Handtuch hatte ich nicht dabei, aber eigentlich braucht man als Modell auch nicht viel “Werkzeug” um seine Aufgabe zu erledigen. Und als Aktmodell steht da erst mal das entledigen an erster Stelle. Ich weiß noch ganz genau, wie ich zum Fenster rausgeschaut habe um meine Gedanken zu sortieren und zu überlegen was jetzt der beste nächste Schritt wäre.

Da kam die freundliche Dozentin schon auf mich zu, hatte ein Klemmbrett mit Papier in der Hand und meinte ich solle mir in der Nähe des Podestes ein Platz suchen. Nach einem kurzen Moment der völligen Verwirrung, war ich erleichtert und mir war klar das hier nur eine Verwechselung vorliegen konnte.

Diesen Umstand konnte ich leicht aufklären und wurde dann mit den freundlichen Worten einzuladen.

“Gerne darüber reden wir in der Pause. Jetzt zeichnen sie einfach erst einmal mit, das schadet nicht. Sie haben doch so viel Zeit, oder?”

Und so startete meine erste Aktzeichenstunde in Mitten von Kunststudenten. Meine letzten “Kunst”-Werke hatte ich im Technischen Gymnasium vor mehr als 20 Jahre erschaffen. Rings um mich herum entstanden nun echte Kunstwerke durch die anderen Teilnehmer, und ich saß vor dem leeren Papier und versuchte irgendwie die Pose des Modells einzufangen.

Schlussendlich muss ich sagen, dass ich für diese Erfahrung unendlich dankbar bin. Zum einen sind die Zeichnungen weit besser als ich mir das jemals zugetraut hätte. Zum anderen konnte ich an diesem Tag ein Modell beobachten und hatte damit eine gute Vorstellung wie so eine Übung abläuft. Was ich ebenfalls als sehr wichtig empfand, war die offene und überaus freundliche Atmosphäre welche im Raum vorherschte. Das Modell und sein Posen wurden ebenso honoriert wie die Skizzen der Teilnehmer. Es war eine wunderbare respektvolle Umgebung die es mir auch erst ermöglichte mich auf das Thema einzulassen und spontan erste Gehversuche im Aktzeichnen zu machen. Zu guter Letzt aber hat mir das Zeichnen die Augen geöffnet, was Aktzeichnen eigentlich für die Künstlerin und Künstler bedeutet.

Es geht um Volumen und Proportionen, Linien und Achsen. Kontrapost und Spannung sowie Asymmetrie und perspektivische Verkürzung, die Schatten und noch ganz viel mehr. Und für mich stand ganz am Ende die Erkenntnis, zeichnen macht Spaß.